L:
wie Lektorin und Landeskunde.
Selbst noch Studentin (meine letzte Examensprüfung stand mir noch bevor)
und neue Tübinger Lektorin am German Department in Leeds – so
fand ich mich Ende September 1995 bei Lesley im Büro ein. Was sollte
wohl auf mich zukommen? Und was auf die Studierenden, die ich unterrichten
sollte? Die großen Vorlesungsräume betrat ich zunächst nur
mit Ehrfurcht. Der Spaß kam nach dem ersten eigenen Versuch auf der
“Bühne”.
Hitliste bei den Referatsthemen war: 1. Frauen im Dritten Reich,
2. Caspar David Friedrich, 3. Bauhaus.
Was jetzt wohl auf der Beliebtheitsskala steht?
E:
wie Eindrücke und Einsichten.
Ich war erst ein paar Tage in Leeds und studierte den Vorlesungsplan Landeskunde
für die 1st years. Mein Blick blieb an dem Titel einer Vorlesung
hängen: ‘Übersiedler, Spätaussiedler und Asylanten’.
Ich stutzte. Spätaussiedler – dieses Thema auch in Leeds? Selbst
mit der Familie 1980 aus Rumänien ausgewandert, hatte ich in Deutschland
oft die Erfahrung gemacht: Nicht jeder kennt den Unterschied zwischen
Spätaussiedler und Ausländer. “Gut, daß das Thema
hier an der Uni aufgegriffen wird”, dachte ich, “so lassen
sich Vorurteile sicher abbauen.”
Gegen Ende meiner Leeds-Zeit war ich mir da nicht mehr so sicher: Mündliche
Prüfung einer Final year-Studentin. Ihre Examensarbeit zum Thema
‘Spätaussiedler’ war äußerst schwach, sprachlich
und inhaltlich. Und nun erzählte sie in recht holperndem Deutsch,
daß Spätaussiedler kein Deutsch sprechen könnten. Hatte
der Unterricht wirklich so wenig gefruchtet? War es einfach Pech für
die Studentin, daß gerade ich sie prüfte? Oder hatte sich Deutschland
tatsächlich so verändert? Genügend food for thought.
E:
wie England und Einbrecher.
Wenn ich an meine Zeit in England denke, dann entstehen Bilder in meinem
Kopf: Die fröhliche, internationale Wohngemeinschaft in Fred Bridghams
Haus, 18 Hollin Lane. Das schöne Zimmer mit fireplace und bay window.
Häufige Spaziergänge und ausgedehnte Fotosessions in den vom
Rhododendronduft erfüllten Hollies. Die Vielfalt an Theater und Musicals.
Doch auch die Einbrecher, die manches Wertvolle und Liebgewonnene auf
Nimmerwiedersehen mitnahmen und bei mir eine Unsicherheit hinterließen,
die mir bis dahin unbekannt war. Nun konnte ich so manche Studentin gut
verstehen.
D:
wie Diskussionen und Di.
Auch das bleibt in Erinnerung: Diskussionen im Zuge der Fußball-Europameisterschaft.
Auf der Titelseite eines Boulevardblattes Fußballspieler mit Kriegshelm,
die Sprache erinnert an die letzte Schlacht. Völkerverständigung?
Noch ein Sieg: Labour gewinnt die Wahlen.
Und dann der tragische Tod von Di. Eine Nation in tiefer Bestürzung,
die Monarchie in Frage gestellt.
S:
wie Schubert und Saying good-bye.
Gummistiefel, Fischernetz, Regencapes – nein, mich hatte nicht die
Angelleidenschaft gepackt, sondern ich befand mich mitten im Weihnachtskonzert
des German Choirs. Schubert hätte seine Freude daran gehabt: Vielleicht
nicht so sehr an der Anzahl der Sänger – wir waren ein eher
bescheidenes Häuflein und Männer waren (mal wieder) Mangelware.
Aber sicher an dem Spaß, den wir bei der Interpretation seiner Forelle
hatten:
In einem Bächlein helle, da schoß in froher Eil,
die launische Forelle vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade und sah in süßer Ruh
des muntern Fischleins Bade im klaren Bächlein zu.
Noch
heute kann ich mir das Lächeln nicht verkneifen, wenn ich an Richard
Byrn denke mit grünen Wellies und Krawatte, an Professor Beddow mit
dickmaschigem fishermen‘s Pullover und rotem Schal und an Sarah,
wie sie auf einem Hocker ganz eifrig nach den übergroßen Fischen
aus Pappkarton angelt – ohne ihre Alt-Stimme dabei zu vergessen.
Good-bye
Leeds! Für mich war klar, daß im Sommer 1997 das süße
Leben vorbei war und das zweijährige Referendariat (hoffentlich in
Tübingen) folgen sollte. Es kam aber ganz anders ... Inzwischen habe
ich mich der (deutschsprachigen) Kommunikation verschrieben, bin Pressereferentin
und Fotografin bei der Kreissparkasse Esslingen. Von der Lektorin zu Public
Relations – ein großer Sprung, zumindest auf den ersten Blick.
Doch habe ich an der Uni in Leeds nicht gelernt, die Vorteile eines Gegenstandes
hervorzuheben? Verlangte nicht mein ‘Publikum’, daß
ich klar und verständlich kommunizierte? Stand Kreativität nicht
ganz oben, wenn es darum ging, Studierende von Deutschland zu begeistern?
Dies und vieles mehr habe ich ‘fürs Leben’ mitgenommen.
Daran denke ich heute noch gerne – und manchmal mit etwas Sehnsucht
– zurück. Und dafür danke ich Richard und dem Rest vom
staff!
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