LektorInnenlob

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Verena Jung (Leeds, seit Sept. 1998)
“Lektorin – Freundin oder Prüferin? – eine Zwischenbilanz”

Da ich hier in Leeds noch ein paar Jahre bleibe, kann ich keinen Rückblick, sondern nur eine Zwischenbilanz verfassen.

Wie allen Deutschen, die an eine englische Universität kommen, fiel mir auch gleich zu Anfang vor allem die ganz andere Unterrichtsatmosphäre auf. Einerseits schulischer als in Deutschland (es gibt Hausaufgaben und die werden überprüft), andererseits eine engere Beziehung zwischen DozentInnen und StudentInnen. Diesen Unterschied spürten immer auch unsere Austauschstudenten, und während ersteres als lästig empfunden wurde, wurde letzteres immer als sehr positiv bewertet.

Als leise Warnung wurden wir Lektorinnen dann auch gleich auf die möglichen Entscheidungen und Konsequenzen aufmerksam gemacht: Wir können uns duzen oder siezen lassen, mit Nachnamen oder Vornamen ansprechen lassen. Aber prüfen und benoten muß man sie letztendlich ja doch.

Den StudentInnen gab ich also immer die Wahl, mich zu duzen und “Verena” zu nennen, oder mich zu siezen und dafür mit “Herr Wright” oder “Frau Miller” angesprochen zu werden. Da entschieden sich alle offiziell immer für das ‘Du’, auch wenn sie mir dann doch Briefe an “Frau Jung” schickten.

Doch das ‘Du’ schafft noch nicht unbedingt Freundschaft: Es erlaubt nur die Möglichkeit. Viele sehen in mir klar nur die Dozentin – schon der Altersunterschied sorgt dafür – und dann noch die Tatsache, daß ich kraft meines Amtes als First Year Language Coordinator auch die bösen Briefe rausschicken mußte von wegen pünktlicher und regelmäßiger Anwesenheit bei den montagmorgendlichen Vorlesungen. Und das ist auch ihr gutes Recht. Andererseits ergaben sich bei Sprechstunden, oder auf dem Flur, auf dem Campus und vor allem auch im German Choir immer Gelegenheiten zu recht persönlichen Gesprächen, die von den StudentInnen durchaus auch gesucht und als unproblematisch empfunden wurden.

Das war für mich ungewohnt aber von Anfang an sehr schön. Trotzdem machte ich mir dann zunächst Sorgen, ob das die Bewertung von Leistungen nicht negativ beeinflussen würde.

Doch je mehr ich merkte, wie sehr Leistungen davon profitierten, daß eine freundschaftliche Atmosphäre in den Sprachgruppen bestand, desto mehr spürte ich, “the medium is the message”. Deutsch wird den StudentInnen und mir mehr Spaß machen, wenn es in einer freundschaftlichen Atmosphäre stattfindet. Mit den StudentInnnen Filme anschauen, einen Trinken gehen oder gemeinsam zu frühstücken, hindert mich nicht daran, nachher in der Prüfung darüber zu entscheiden, wer sein Thema am besten auf Deutsch dargelegt hat. Aber solche Angebote nicht zu geben, aus Angst, an Autorität zu verlieren, hindert vielleicht daran, überhaupt das richtige Niveau zu erreichen.

Im nächsten Jahr nehme ich mir vor, mit den StudentInnen gemeinsam noch mehr an einer kollegialen Atmosphäre unter den StudentInnen zu arbeiten. Dazu haben die German Society mit ihren Festen und z.B. mit dem Theaterstück, das meine Kollegin Sibylle Metzger letztes Jahr veranstaltete, schon einen hervorragenden Beitrag geleistet. Mit einer Exkursion nach Deutschland für First Years and Second Years soll Leben und Lernen noch etwas mehr verbunden werden.

“In order to act like a native speaker, you have to feel like one” – und das beste Mittel dazu ist ja, sich in einer Gruppe aufgenommen zu fühlen.