LektorInnenlob

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Iris Lamparter (’94 – ’98)
“Lampeter – Leeds 1994-1998 – London”
Als ich im Sommer 1994 zu einem Bewerbungsgespräch nach Leeds fuhr, freute ich mich einerseits auf einen Neuanfang, andererseits war Leeds als Großstadt für mich leicht beängstigend, nachdem ich fast zwei Jahre in Lampeter in Wales verbracht hatte. Lampeter, eine kleine 1500-Seelengemeinde mit einer etwa nochmal so großen Anzahl an Studenten, machte eine Einkaufsfahrt nach Carmarthen zum Höhepunkt der Woche. Kino, Theater oder andere Unterhaltung als ein Pubbesuch war ein äußerst besonderes Ereignis, da Entfernungen und öffentliche Verkehrsmittel sehr einschränkten.

Und nach Lampeter und kurzem Gastspiel in Deutschland, dann Leeds ... Wie sollte das bloß gut gehen? Eine Landpomeranze in der Großstadt? Und auch noch alles andere als ‘streetwise’! Der Empfang im German Department war schon mal sehr angenehm und gab dem Großstadtdschungel schon eine freundlicheres Gesicht. Als ich dann noch an einem Tag eine Stelle und ein Zimmer fand, konnte ja eigentlich nichts mehr schief gehen. Das war der Tag, an dem ich mit Fred Bridgham und der 18 Hollin Lane in Leeds Bekanntschaft machte. Wie für so viele andere zuvor, wurde dieses Haus ein wirkliches Zuhause und die multinationale Wohngemeinschaft zwang nicht nur zum Englischsprechen, sondern es fanden sich auch immer offene Ohren für allerlei Alltagsprobleme und manche Beschwerden über interkulturelle Verwicklungen.

Die ersten zwei Jahre, in denen ich als Vollzeitlektorin arbeitete und eine Doktorarbeit so quasi als Hobby nebenher betrieb, vergingen wie im Flug. Besondere Herausforderungen waren die Vorlesungen, die alle Lektorinnen zwei bis dreimal im Jahr vor den versammelten First Years halten mußten oder durften, je nach Standpunkt. Im Prinzip war es eine Ehre, selbständig eine Vorlesung gestalten zu dürfen – je näher dann allerdings der Zeitpunkt der eigenen Vorlesung rückte, desto mehr spielten die Nerven mit und es schien eher wie ein Muß. Wenn alles überstanden war, mutierte das Ganze wieder zu einer einmaligen Chance, aber je öfter frau Nerven und Technik meisterte, desto leichter fiel es. Also doch eine Chance, und eine für die ich heute noch dankbar bin. (Redeangst vor großen Gruppen erfolgreich überwunden, nun steht der Kandidatur fürs Parlament nichts mehr entgegen!)

Das Großstadtleben zeigte sich dann auch von der besten Seite, und bald gehörten Kino-, Theater- und Ballettbesuche zu den Selbstverständlichkeiten des Lebens. Das kulturelle Angebot war reichhaltig und interessant und Angebote, selber aktiv zu werden – das Yorkshire Dance Centre ist nur ein Beispiel – machten Lust auf Neues und Ausprobieren. Die regelmäßigen Ausflüge zum Wandern in die Yorkshire Dales und an die Küste bei Whitby taten ein Übriges, Yorkshire und Leeds ganz speziell lieb zu gewinnen. Selbst die Schattenseiten der Großstadt mit wiederholten Einbrüchen und den Warnungen, bestimmte Gegenden zu meiden, konnten dieses Bild für mich nicht trüben.

Die verbleibenden beiden Jahre in Leeds verbrachte ich dann zwar nur noch teilweise im German Department mit Unterrichten, Heimat blieb es aber doch, nicht zuletzt aufgrund der Doktorarbeit.

Auch wenn das alles heute fast abgeschlossen ist, und ich nun im noch größeren London arbeite, bleiben Leeds und Yorkshire doch ein Stück Heimat, das mir nicht verloren gehen wird, habe ich doch dort auch meinen zukünftigen Mann kennengelernt.

Es gäbe noch viele Geschichten zu erzählen: von der Überschwemmung in 18 Hollin Lane, nach dem ich als baglady von KollegInnen zu KollegInnen zog; vom Weinfleck auf dem Teppich des German Foyers, der bei der Feier nach der erfolgreichen Produktion des Besuchs der alten Dame entstand; oder vom Sarg im Lektorinnenzimmer [ebenfalls ein Andenken vom “Besuch”], der einige Generationen von StudentInnen verunsicherte. Darüber hinaus verdienten noch viele Kollegen und Kolleginnen, die sich immer wieder auf die Sorgen und Nöte der neuen Lektorinnen einstellten, obwohl sich die Anpassungsschwierigkeiten und die interkulturellen Mißverständnisse doch so geähnelt haben müssen, mehr als nur ein Lob.