LektorInnenlob

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Brigitte Scott (Leeds, 1980-2, als Lektorin Brigitte Fath)
“In Leeds geschieht’s”.

Voranstellen möchte ich, daß meine Lektorinnenzeit in Leeds eine sehr gute wurde und das, obwohl so manche äußeren Umstände kaum Gutes versprachen. Es war die Zeit des Yorkshire Ripper und des Falkland-Kriegs, und für jemand aus einer Stadt wie Salzburg, deren Schönheit ständig hochgejubelt wird, war das Stadtbild von Leeds ca. 1980 gelinde gesagt gewöhnungs-bedürftig.

Auf einen Punkt gebracht war Leeds für mich ein Ort der Chancen:
die Chance beruflich etwas Neues zu tun, das britische Drama endlich auf der Bühne zu erleben, neue Leute kennen zu lernen. Durch die einfühlsame Vermittlung der Mitglieder des German Dept. traf ich dabei auch auf Leute aus anderen Kreisen, mit denen ich z.T. bis heute befreundet bin. So lernte ich etwa den “Left Lunch Club” und die britische Friedensbewegung kennen, was mir, aus einem neutralen Land kommend, völlig neue politische Einblicke verschaffte. Und in Sachen Theater hatte ich das große Glück, mit Hugh Rorrison und Helen Chambers Freundschaft zu schließen, die meine Begeisterung für das Theater nicht nur teilten, sondern auch in Rat und Tat unterstützten. Sie lehrten mich das Manchester Royal Exchange Theater kennen und schätzen, nahmen mich zu RSC Gastspielen nach Newcastle und Hull mit und verwiesen mich auf die zahlreichen Theateraktivitäten in Leeds selbst. Damals gab es noch kein West Yorkshire Playhouse, aber ein aktives Leeds Playhouse am Unigelände, ein rühriges Drama Department unter Michael Patterson und jede Menge Originale im English Department. Oft sah ich bis zu 5 Vorstellungen pro Woche. Irgendwann kippte das Zuschauen um in ein Selber-machen-wollen und die German Dramatic Society wurde wieder belebt. Meine eigenen Fähigkeiten lagen eher im Organisieren, darum war ich besonders dankbar für die zahlreichen guten Ratschläge und Adaptierungsvorschläge von Hugh, mit dessen Hilfe wir zuerst eine Kurzfassung der Minna von Barnhelm und im darauffolgenden Jahr den Urfaust aufführten. Die Begeisterung und das Engagement der Studierenden gehören zu meinen schönsten Erinnerungen.

Lustige und weniger lustige “culture shocks”:
Man kann es sich heute nur mehr schwer vorstellen, aber 1980 gab es in ganz Leeds kein Kaffeehaus, das diesen Namen auch verdient hätte. Österreichische Süchterl wie ich mußten also den Kaffee entweder selber brauen oder mit dem Zug nach York fahren und sich bei Taylor‘s oder Betty‘s trösten lassen.

In Leeds holen einen die dunkleren Kapitel der österreichischen Geschichte zwangsläufig ein. Unter den zahlreichen jüdischen Bewohnern der Stadt trifft man fast unweigerlich auf solche, die Österreich in den 30er Jahren verlassen mußten [Stella Rotenberg, z.B.]. Grund genug, sich mit dem meiner Generation in der Schule unterschlagenen Zeitraum zu befassen. Überhaupt schien dies die zentrale Herausforderung: das was man am eigenen Land liebt, den Studierenden nahe zu bringen, und die negativen Aspekte nicht zu unterschlagen. Die Finalists verstanden etwas davon, hatten sie doch gerade ein Auslandsjahr hinter sich, in dem sie nicht nur einiges über ihr Gastland, sondern mindestens ebenso viel über ihr eigenes Britischsein gelernt hatten.

1980 war ich vor allem dankbar für die freundliche Aufnahme und die vielfältige Unterstützung, die ich in Leeds in meiner Arbeit und als Person erfuhr. Aus heutiger Sicht bewundere ich auch die herzliche Offenheit, mit der sich die permanenten Mitglieder des German Dept. trotz des vorgegebenen “Ablaufdatums” auf immer wieder neue Lektorinnen einließen.

Daß ich mein britisches Ablaufdatum letztendlich weit überschritt, lag an einem Soziologie-Dissertanten, den ich gegen Ende meiner Lektorinnenzeit kennenlernte und der heute mein Mann ist.